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"Feldkirchner Marionetten. Das Werk Sigfried Wehrles und aktuelle Beiträge" .
Jahresausstellung 2012 des Museumsvereins Feldkirchen

Die "Feldkirchner Marionetten" sind ein homogenes Ensemble extrem beweglicher Fadenpuppen, die in genauer Übereinstimmung mit ihrer phantasievollen Kulissenlandschaft, mit den illustrierten Textbüchern, Rollenheften und Notenpartituren und ihrer minutiös ausgebildeten Bühneneinrichtung ein faszinierendes Gesamtkunstwerk des Hauptmanns a.D. Siegfried Wehrle (1891-1967) darstellen. Der Erzählstoff der acht überlieferten Bühnenstücke wurde der lokalen Geschichte, der Phantasiewelt oder den Grimmschen Märchen entnommen, die heuer ihr zweihundertjähriges Bestandsjubiläum begehen. Siegfried Wehrle, Andreas Dorfer und Herta Mitschka dramatisierten die Texte in freier Gestaltung, eine Spielergruppe brachte sie, getrennt nach Puppenspielern und Sprechern, in den Jahren von 1951 bis 1962 auf die Bühne. Siegfried Wehrle schuf die Kulissen und Puppen, die Bühneneinrichtung und vier der acht Spieltexte, seine Frau Alice die kunstvollen Kleider. Höhepunkt aller künstlerischen Leistungen waren von 1957 bis 1959 die Aufführungen der Marionettenoper „Philémon und Baucis“ von Joseph Haydn in Feldkirchen, in  Eisenstadt und in weiteren drei Orten des Burgenlandes.

Schon 1995 hatte Dr. Hans Neuhold als damaliger Obmann des Museumsvereins eine Auswahl der „Feldkirchner Marionetten“ im Rahmen einer Jahresausstellung präsentiert. 2004 initiierte er die offizielle Widmung eines eigenen Straßennamens für Siegfried Wehrle;  2005 holte er von Dr. Olaf Bernstengl, dem  Intendanten der Mistelbacher Puppen-theatertage, ein Gutachten über die Feldkirchner Marionettenbühne ein. 2006 schenkten Wolfgang und Johanna Wehrle die  „Feldkirchner Marionetten“ der Stadtgemeinde Feld-kirchen unter Bürgermeister Robert Strießnig mit dem Auftrag, sie der Feldkirchner Öffentlichkeit zu zeigen. 2011/12 bewerkstelligte H. Neuhold als Ausstellungskurator  im Auftrag des Vorstands des Museumsvereins unter Obmann DDr. Gerhard Huber in einjähriger Arbeit den themengerechten Aufbau und die Ausgestaltung der Bühnen, Vitrinen und Einzel-objekte. Die Kulissen montierte er in titelbezogener Auswahl, die Puppen in rollengerechter Pose. Bei der Planung der Dauereinrichtung des  „Marionettenzimmers“ standen ihm Mag. Simon und Mag.a Hanna Nickles zur Seite. In seinem „Beiheft zur Jahresausstellung 2012“ sind nähere Einzelheiten angeführt. Die im Ausstellungstitel erwähnten „Aktuellen Beiträge“ stammen größtenteils von Schulen Feldkirchens.

Der Rundgang beginnt beim Amthofportal. Der Ausstellungsbesucher zieht an einer Schnur und bewegt damit die Hand des hölzernen  „Fridolin“, der lustigen Figur in Wehrles Stücken, in Richtung Missonihaus, dem eigentlichen Ausstellungsort. Die lebensgroße Figur wurde von Mag. Claudia Steiner und ihren Schülern des BRG Feldkirchen hergestellt. Beim Museumseingang verweist ein Wandbild Siegfried Wehrles auf das Marionettenspiel „Der Schmied von Tiffen“. Zwei dieser Szenen sind im Amthofmuseum zu sehen. Den Weg zum Missonihaus verfolgt man entlang der Turngartenmauer  anhand der von Schülern der VS 1 unter VOL Isolde Neumaier angefertigten Bilder.

Im "Schülerzimmer" des Missonihauses sind der Reihe nach ausgestellt: Fotos der wichtigsten Marionettenfiguren; hölzerne Körperglieder,  die zu einem Marionetten-Puzzle zusammengesetzt werden können; eine Arkaden-Kulisse, in der an Ort und Stelle geformte Tonfiguren ausgestellt werden; eine Marionettengruppe aus dem von der HS 3/Neue Mittelschule aufgeführten Spiel „Der Zauberlehrling“; eine Reihe von industriell gefertigten Puppen zum Ausprobieren, eine zweistöckige Kinderkulisse mit den Figuren des reichen Mannes und der armen Frau; die Holzfigur des „Sparefroh“, der mit seinem beweglichen Arm die Möglichkeit des Sparens andeutet; die Figuren des von der HS 3 1995 aufgeführten Marionettenspiels „Der hölzerne Prinz“ samt DVD-Wiedergabe; die „Lese-Ecke“, in der u.a. die drei von Wehrle dramatisierten Grimmschen Märchen gelesen oder vorgelesen werden; eine Wandbildtafel mit den von Wehrle gezeichneten Figurinen seiner Marionetten; eine stattliche Reihe fernöstlicher Marionetten der Frau Mag.a Gabriele Trunk vom BRG Feldkirchen; eine ansprechende Naturszene mit sogenannten Ast-Marionetten des Mag. Simon Nickles vom BORG Gurk.

Im "Märchenzimmer" veranschaulichen drei Bühnenszenen nach einander die Geschichte des Rumpelstilzchens. Eine  Kindertheaterkulisse trägt das Bild der Rabensdorfer Bartholo-mäuskirche, des ursprünglichen Standorts des berühmten Rabensdorfer Flügelaltars. Die Enge Gurk ist der Schauplatz einer Kampfszene aus dem Sagenspiel „Agnes von Liebenfels“. Zwei Figuren werden durch behutsame Animation in Bewegung versetzt. Zwei andere Szenen verdeutlichen, wie Fridolin, der auszog, das Gruseln zu lernen, den roten Teufel in den Schraubstock zwängt, ein Klapperskelett überlistet, dem Schlossgeist entkommt und für seine Courage mit glitzernden  Schätzen belohnt wird. Persönliche Erinnerungsstücke ergeben ein Lebensbild des vielseitig talentierten Hauptmanns Siegfried Wehrle, des Schöpfers und Spielleiters der  „Feldkirchner Marionetten“.

In der Diele des Oberstocks sind zwei Szenen aus Wehrles Phantasiestück "Ein kleiner Silvesterspuk" aufgebaut. Aus der oberen Etage blickt die Figur des Theaterdirektors, mit der Wehrle sich selber abbilden wollte. Das große Bühnenbild „Ein kleiner Silvesterspuk“  stellt den Feldkirchner Hauptplatz dar, auf dem unter anderen  die phantasievollen Figuren der Sternsingerknaben, des Veteranen und des Nachtwächters auftreten. Wehrle hat in sein Spiel das Modell des 1960 errichteten bildstockartigen Wegzeichens, des so genannten "Zahn-stochers", einbezogen. Das dazu gehörige Glockenspiel, das Prof. Walter Bergmann komponiert hat, wurde anhand eines Notenblatts von Ing. Ulf Nießner mit Hilfe eines Computerprogramms  zum Klingen gebracht.

Im "Marionettenzimmer" sind in einer Vitrine jene Figuren ausgestellt, die in den Kulissen-szenen keinen Platz finden konnten. In einem chinesischen Drachenzimmer wird die schöne und treue Tsué vom Seeräuber Ustaphan während der Hochzeitsszene mit der Entführung bedroht. Über den Kulissen eines Palmenwaldes taucht der Königsgoldfasan auf, der ihre Rettung herbeiführt. Wehrles klassisches Paradestück ist die szenische Darstellung der Haydn-Oper „Philémon und Baucis“. Das griechische Paar empfängt die als Wanderer verkleideten Götter Iupiter und Merkur und wird für seine Gastfreundschaft mit der  Verwandlung ihrer Hütte in einen Tempel und ihrem wunschgemäßen Tempeldienst belohnt. Die vom  Feldkirchner Orchesterverein 1957 auf  Tonband aufgenommene Opernmusik kann in der Audio-Ecke abgehört werden.

Museale Inhalte werden zur Gegenwart in Beziehung gesetzt. Beispielsweise weisen die Puppen „Reich“ und Arm“ in den Kulissen „Herrschaftszimmer“ und „Schuldgefängnis“ auf das exorbitante Sozialgefälle in der modernen Gesellschaft hin. Eine zum Kopf des „Sparefroh“ zu bewegende Hand deutet an, wie man durch Sparen dem Schuldenmachen entgeht. Wehrles „Tontopf tragende Griechin“ macht mit ihrer gebückten Haltung auf die gegenwärtige existenzbedrohende Belastung der Einwohner Griechenlands aufmerksam. Ehemalige  Mitspieler deklamieren in Interviews, die im erwähnten Begleitheft nachzulesen sind, ganze Passagen ihrer damaligen Rolle. Die Ausstellung ist im Juli und August täglich von 9 bis 13 und von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Text: Dr. Hans Neuhold